· 

Wilde Karde (Dipsacus fullonum)

Über die wilde Karde

Nomen est omen
Oder was der Name über die wilde Karde verrät.

Der Name „Dipsacus“ leitet sich vom griechischen Wort „dipsá“ ab, was „durstig“ bedeutet. Hier ist tatsächlich nicht der Durst der Karde gemeint, den sie durchaus hat.

Es deutet auf die Wasseransammlungen hin, die man nach Regen an den trichterförmig Verwachsenen Blättern sehen kann. Insekten, Vögel, und früher; so sagt man auch Wanderer, können daran ihren Durst stillen.

 

Nicht weniger interessant ist der zweite Teil des Namens. So soll das „fullonum“ auf das mittelalterliche Wort „Fuller“ zurückgehen, mit dem man Tuchmacher bezeichnete. Die Samenstände der Weberkarde und der wilden Karde wurden einst zum kämmen und aufrauen von Wollgewebe genutzt. Die Weberkarde gilt als Abkömmling der wilden Karde. Im englischen heißt die Dipsacus fullonum auch: Fuller`s teasel.

Wilde Karde mit Regenwasser in den Blattachsen
Foto unter Creative Commons 3.0 von Simon Eugster

 

In diesem Foto ist das ,
das Prinzip der "Zisternenpflanze" schön zu sehen.

 

Disteln und Karden

Die deutsche Bezeichnung Karde stammt vom lateinischen "Carduus" für Distel, obwohl die beiden zwar Ähnlichkeit haben, aber nicht miteinander verwandt sind.

Als Disteln bezeichnet man (eher umgangssprachlich) wehrhafte, stachlige Pflanzen mit Dornen. Der Wortursprung soll sich von "spitz" oder "stechen" in alter germanischer Sprache herleiten.
Einer der großen Unterschiede zwischen Disteln und Karden: Karden streuen ihre Samen über herausschleudern oder als Tier-Streuer.

 

 

Disteln bilden einen Pappus: ein Schirmchen wie auch der Löwenzahn (Pusteblume) sie hervorbringt um ihre Samen weiter zu verbreiten.

Aussehen und Aufbau

Alte, botanische Zeichnung einer wilden Karde
Wilde Karde Zeichnung aus dem Wiener Dioskurides

Die wilde Karde hat etwas imposantes, wehrhaftes in ihrem Erscheinungsbild.
Die Pflanze kann bis zu stattlichen 2 Meter hoch werden, ist aber häufiger in Wuchshöhen von 70 cm bis 150 cm anzutreffen.

 

Der kantige Stängel ist ebenso, wie die Mittelrispe der Blätter mit Stacheln versehen.

 

Auf der Zeichnung etwas überdeutlich dargestellt, sind die Stängelblätter, die trichterförmig verwachsen sind und so das Regenwasser auffangen können.

Die wilde Karde wächst als zweijährige, krautige Pflanze und bildet im ersten Standjahr ihre Blattrosette. Erst im zweiten Jahr bilden sich die langen Blütenstängel mit 5-8 cm langen, walzenförmigen Blütenständen. Zwischen den langen, zu Stacheln ausgebildeten Spreublättern der Blütenkopfe, befinden sich unzählige kleine, lila Röhrenblüten. Die Blüte wird noch einmal imposant von lanzettenartigen Hochblättern, schützend eingerahmt.

 

Hummel an den Blüten der wilden Karde

Die Blütezeit ist, regional unterschiedlich, von etwa Mitte Juni bis Anfang September im zweiten Standjahr.

Die Blüten öffnen sich erst in der Mitte des Blütenstandes (siehe Foto am Artikelanfang). Sind die ersten Blüten verblüht, wandert der Bereich von der Mitte aus gleichsam nach oben und unten, was zwei blühende Ringe erscheinen lässt.

Der Nektar der wilden Karde ist besser für Insekten mit langen Rüsseln, wie Hummeln und Schmetterlinge erreichbar. Durch ihre "Blütenwanderung" bildet sie über einen längeren Zeitraum eine willkommene Energie-Quelle für Insekten.

Die Samen, die etwa von September bis Oktober reifen, sind kleine Nüsse.

Die Verbreitung erfolgt meist darüber, dass Tiere an der Pflanze hängen bleiben und sich der lange Stängel im vorbeistreifen biegt. Wie eine kleine Schleuder kann die Karde ihre bis zu 2000 Samen damit meterweit weg schleudern.

Einige samenfressende Vögel, die die Samen der Karde lieben (allen voran Distelfinken und Stieglitze), tragen mit ihren An- und Abflügen sicherlich auch zum betätigen des Karden-Katapultes bei.

Herkunft und Vorkommen

Ursprünglich stammt die wilde Karde aus dem Mittelmeerraum und wanderte vor Entdeckung der neuen Welt weiter nach Nordeuropa. Heute findet man sie in fast ganz Deutschland. Nur ganz im Norden und in Höhenlagen über 1100 Meter kommt sie nicht vor.

Lebensraum und Standort im Garten

Obwohl man die Karde oft an Wegrändern und Böschungen treffen kann, gerne auf ruderalen Strukturen, hat sie an ihren Standort doch ein paar besondere Ansprüche:

 

 

 

Warm und sonnig sollte es sein, bevorzugt wird unbedingt kalkhaltiger, frischer Lehmboden, der auch gerne nahrhafter sein darf. Für den Wasserbedarf bedeutet dies, dass der sonnige, lehmige Boden nie in die Tiefe austrocknen sollte: in 10 – 20 cm Bodenschicht sollte es stets feucht bleiben.

 

Für den Anbau im Garten heißt das: möglichst gute Bedingungen schaffen, für eine Pflanze, die sich ihren Standort lieber selbst aussucht. Kalkarme Böden kann man mit Zugabe von kleinen Mengen Kalk anpassen. Magere, trockene Lehmböden kann man durch etwas Kompost verbessern und mit einer guten Mulchschicht vor schneller Austrocknung schützen. Auf solchen Standorten muss die Karde, als sonst genügsame Wildpflanze, aber hier und da gegossen werden.

 

Für eine Kübelkultur ist die Karde nur bedingt geeignet, da die seitlich auslaufenden Wurzeln auch Platz in der Breite benötigen. Als Mindestmaß sollte ein Kübel mindestens 40 cm Tiefe – aber auch mindestens 40 cm Breite haben.

 

Die wilde Karde als Heilpflanze

Bereits im 1. Jahrhundert nach Christus, soll die Karde vom heilkundigen, römischen Militärarzt Pedanios Dioskurides erwähnt worden sein. Belege dafür finden sich öffentlich zugänglich erst später:

Im Buch: "Arzneimittellehre des Pedanios Dioskurides" Ausgabe von 1902 heißt es:

"Die Karde …
Seine Wurzel mit Wein gekocht und gestossen,
so dass sie die Consistenz von Wachssalbe annimmt, heilt, hineingelegt, Risse am After und Fisteln.

Man muss aber das Mittel in einer ehernen Büchse aufbewahren.
Dasselbe soll auch ein Mittel für gewöhnliche und gestilte Warzen sein."

 

Heute verwendet man die Karde vor allem für:
Kleinere Wunden, Hautflechten, Fisteln und Warzen oder als Einreibungen bei Rheuma.

 

Verantwortlich für die Wirkung sind einerseits die enthaltenen Saponine (u.a. schmerzlindernd, entzündungshemmend) und die Glykoside, denen man die Fähigkeit zuspricht, toxische Stoffe in nicht toxischer Form zu speichern.

Ferner wirken diese Stoffe, zusammen mit der enthaltenen Kaffeesäure auch auf Magen-Darm-Beschwerden. Hier wird die Wirkung vor allem als stärkend, appetitanregend und verdauungsfördernd beschrieben.

Neuerdings gibt es Bemühungen in der naturheilkundlichen und esoterischen Praxis die Kardenwurzel auch zur Behandlung bei Borreliose einzusetzen. Bisher liegen aber keine wissenschaftlichen Studien darüber vor, wenn auch die Wirkweise der Karde durchaus einen Blick wert ist.

Medizinisch verwendet wird die Wurzel und meist Tinkturen daraus. Seltener als Tee, Bad oder Umschlag.

 

Die beste Erntezeit ist der Herbst des ersten Jahres oder das Frühjahr, bevor die Pflanze ihre Energie in Blüte und Samen steckt.
Nach der Blüte wird die Wurzel holzig.